Ziel: Gemeinschaftsschule im nördlichen Landkreis Kronach

21. April 2016

SPD-Kommunalpolitiker aus Kronach besuchen und erkunden Gemeinschaftsschulen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt

Saalfeld. „Ich freue mich, dass wir heute einen Wissenstransfer in Richtung Bayern machen und dort vielleicht etwas anstoßen konnten“, stellte Saalfeld-Rudolstadts Landrat Marko Wolfram zum Abschluss einer Informationsreise von Kommunalpolitkern aus dem Landkreis Kronach Anfang dieser Woche fest. Auf Vermittlung des Ludwigsstädter Bürgermeisters Timo Ehrhardt war der Termin zustande gekommen, bei dem Landrat Wolfram und die bildungspolitische Sprecherin der Thüringer SPD-Landtagsfraktion, Marion Rosin, zusammen mit den Schulleitungen der privaten Saalfelder Sabel-Schule und der Staatlichen Gemeinschaftsschule Kaulsdorf den Gästen aus Kronach ausführlich die Umsetzung ihrer Gemeinschaftsschule erläuterten.

Die Kronacher Delegation von Bildungspolitikern bestand aus den Bürgermeistern von Marktrodach, Norbert Gräbner, und Ludwigsstadt, Timo Ehrhardt, SPD-Kreisvorsitzendem Dr. Ralf Pohl, der selbst an der Universität Lehrer ausbildet, Fraktionsvorsitzendem Richard Rauh und Dietmar Schmidt, bis 2013 Rektor der Volksschule Tettau. Gräbner, der auch Landratskandidat für die Wahl im September in Kronach ist, fasste am Ende zusammen: „Wir nehmen von hier mit – das wäre die richtige Schulart für uns“. Denn das Ziel der Kronacher ist es, im nördlichen Kronacher Kreisgebiet eine Schulform zu suchen, die die bestehenden weiterführenden Schulen in Kronach nicht im Bestand gefährdet und zugleich einen höheren Schulabschluss im Rennsteiggebiet ermöglicht. Eine Bildungsanalyse für das Jahr 2033 habe ergeben, das eine Schule mit einer Schülerzahl von 240 Schülern eine ideale Größe habe. Doch wie das Konzept einer Gemeinschaftsschule aussehen könnte, wie sie funktioniert und mit welchen Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu rechnen ist, dazu gibt es in Bayern keine Erfahrungen und Vorgaben. Dazu konnte die SPD- Bildungspolitikerin Marion Rosin die Thüringer Erfahrungen zur Etablierung dieser neuen Schulform beisteuern, sei doch die unter Bildungsminister Christoph Matschie eingeführte Gemeinschaftsschule ein Erfolgsmodell der Thüringer SPD-Bildungspolitik. „Die Gemeinschaftsschule ist unser Kind und wir wollen natürlich, dass es weiter wächst. Die Gemeinschaftsschule ist die Schulform für den ländlichen Raum.“ Dass das so ist, konnten die Gäste sowohl in Saalfeld an der Sabel-Schule wie in Kaulsdorf erleben. „Sie leben hier Gemeinschaftsschule“, so die Abgeordnete Rosin anerkennend. 

Praxis an der Sabel-Schule, der „Freien Gemeinschaftsschule als Wirtschaftsschule“

Als Praktiker erläuterten Sabel-Schulleiterin Doreen Hänsel und Sabel-Geschäftsführer Andreas Mischke das Konzept der „Freien Gemeinschaftsschule als Wirtschaftsschule“. Wobei Mischke zumindest für den Ludwigsstädter Bürgermeister ein langjähriger Mitstreiter ist – steht doch die private Fachoberschule am Rennsteig in Ludwigsstadt ebenfalls in Trägerschaft der Sabel-Schule. Unter dem Motto „Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht“, zeigte Doreen Hänsel den Werdegang der Sabel-Schule zur Gemeinschaftsschule auf, die von der Grundschule bis zur Weiterführung zum Abitur konzipiert wird und mit dem Böll-Gymnasium kooperiert. Aufgrund der bisherigen Laufzeit als Gemeinschaftsschule gibt es noch keine eigene Abiturabschlussklasse. Bei derzeit 164 Schülern sei es das Ziel, künftig in allen Klassenstufen zweizügig zu sein und jeden allgemeinbildenden Abschluss  anzubieten. Dem Ziel entsprechend zeichnet sich für die beiden kommenden ersten Klassen im nächsten Schuljahr eine höhere Schülerzahl und damit eine Zweizügigkeit ab.

Die Besonderheit an der Sabel-Schule, so erfuhren die Gäste, besteht in dem Wirtschaftsschwerpunkt mit einer „tendenziell beruflichen Perspektive“, bei der besonders die eigenen Schülerfirmen bei Schülern und Eltern großen Zuspruch finden. Bei der Wahl der Schule zum Schulbeginn beruhe der Erfolg bei den Eltern darauf, dass die Schule „kleiner, häuslicher und familiärer“ sei. Die Attraktivität der Sabel-Schule als Gemeinschaftsschule beschreibt die Schulleiterin so: „Eltern möchten ihren Kindern eine längere gemeinsame Schulzeit geben – und sie können hier alles zusammen machen, von der Grundschule bis zum Abitur.“

Praxis an der Staatlichen Gemeinschaftsschule Kaulsdorf

Vom Konzept her durchaus unterschiedlich, präsentierten Astrid Querengässer als beauftragte Schulleiterin, Lehrerin Sabine Velke und der ehemalige Schulleiter der Regelschule Kaulsdorf Bernd Kowsky die Staatliche Gemeinschaftsschule in Kaulsdorf. Bei allen Unterschieden – in einem Kernbereich ist das Konzept vergleichbar: Die „Binnendifferenzierung“ im Unterricht, bei der bis zur achten Klasse ähnliche Lerninhalte in verschiedenen Anspruchsebenen für die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium vermittelt werden. „Das ist ja eine gewaltige Arbeitsbelastung für die Kollegen“, musste der ehemalige Tettauer Schulrektor Dietmar Schmidt erstaunt anerkennen. Wobei der Schritt von der Regelschule zur Gemeinschaftsschule nicht so groß war, wie Astrid Querengässer erläuterte. „Die Binnendifferenzierung hatten wir schon zwischen Haupt- und Regelschulniveau, jetzt kommt noch das Gymnasium dazu.“ Aus Kronacher Sicht stellten sich diese organisatorischen und pädagogischen Konzepte allerdings völliges Neuland dar, hält man doch bisher in Bayern am dreigliedrigen Schulsystem fest. Für besonders große Überraschung bei den Kronachern sorgte ein beiläufig von Schulverwaltungsamtsleiterin Christine Bloßfeld eingebrachter Beitrag über die „nullte Stunde“, die in Thüringen vielerorts üblich – und in Bayern völlig unbekannt ist. Im Gegensatz zur Sabel-Schule bietet die Kaulsdorfer Gemeinschaftsschule nur die Klassen 5 bis 10 an – und kooperiert intensiv mit den Grundschulen in Kaulsdorf und Leutenberg und den Saalfelder Gymnasien. Weil es keine starre Einstufung des Leistungsniveaus der Schüler gibt, besteht so etwa in der 8. Klasse die Chance auf den Wechsel direkt in die 9. Klasse Gymnasium.

Erhebliche Vorteile und große Herausforderung bei der Gemeinschaftsschule

Neben dem großen Vorteil der Durchlässigkeit der Schulformen fanden die Kronacher in Kaulsdorf genau das Argument vor, das sie auch im Oberen Frankenwald beschäftigt. Die Schule für den „ländlichen peripheren Raum“, wie Timo Ehrhardt es bezeichnet, biete die Chance, Schulwege und Fahrzeiten für die Schüler zu verkürzen. Im Landkreis Kronach, wo alle Gymnasien und Realschulen in der Kreisstadt angesiedelt sind, wäre eine Schule im Norden ein guter Weg. „Was uns besonders daran gefällt und überzeugt, sind die steigenden Schülerzahlen. Das Konzept kommt also an“, fasste Norbert Gräbner zusammen, der als langjähriger Elternbeirat schon lange intensiv mit der Thematik befasst ist. Timo Ehrhardt hat es schon konkret im Blick: „Man muss vom Produkt überzeugt sein, wenn man eine Schule dieser Art etablieren will.“ Um dann die Herausforderungen lösen zu können. Denn die seien gewaltig, wie an beiden Schulen zu hören war. Voraussetzung und größte Hürde sei es, das Lehrerkollegium zu überzeugen, auf das erst einmal Mehrarbeit zukomme. Um dann die Eltern zu überzeugen. Zumindest einen konkreten Standort für eine Gemeinschaftsschule im oberen Frankenwald haben die Kommunalpolitiker schon ins Auge gefasst: „Steinbach am Wald wäre ein guter Standort.“

Ganztagsschule_Kaulsdorf
Im Bild von links: Bernhardt Schmidt, MdL Marion Rosin, Dr. Ralf Pohl, Astrid Querengässer, LR Marko Wolfram, Christine Bloßeld (Leiterin Schulverwaltungsamt), Timo Ehrhardt, Norbert Gräbner, Bernd Kowsky, Richard Rauh

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